Tipps und Tricks

Mit UX-Writing das Nutzererlebnis auf Ihrer Website verbessern

Lesezeit: 4 min

Eine Person sitzt mit einem Stift an einem Blatt, auf dem Mokups abgebildet sind und bearbeitet diese. Dazu ist schon eine Abfolge, gekennzeichnet durch Nummern, zu erkennen.

Gute Usability entscheidet über den Erfolg eines Digitalprodukts: Ist die User Experience (Nutzererfahrung, UX) einer App schlecht oder die UI (User Interface, Benutzeroberfläche) einer Webseite unübersichtlich, werden Nutzer beim nächsten Mal ein konkurrierendes Angebot ansteuern, das ihre Bedürfnisse besser erfüllt.

Neben Aussehen und Funktion gibt es einen dritten zentralen Baustein guter Usability: UX Writing. Also das geschriebene Wort. Was steht wo und wie in einem Digitalprodukt geschrieben? Wie leitet Sprache einen Nutzer durch ein Produkt oder einen Prozess und wie beeinflusst sie sein Nutzererlebnis dabei?

UX Writing ist Bestandteil der Konzeption

UX Writing ist in den USA bei Unternehmen wie Google oder dem Newsletter-Service Mailchimp längst ein eigenes Berufsbild mit anspruchsvollen Anforderungen: Dort sind UX Writer schon in die Konzeption digitaler Produkte eingebunden, im Team mit Designern und Entwicklern. UX Writer haben den Blick aufs große Ganze und Methodenkompetenz bei der Zielgruppendefinition: Sie können Personas entwickeln, aber auch echte User interviewen. Sie nutzen Empathy Maps und andere Tools, um zu verstehen, wie welche Zielgruppe angesprochen werden muss.

Denn ihr UX Writing bestimmt sehr grundlegend die Nutzbarkeit eines Produkts oder Services mit:

  • User müssen Digitalprodukte intuitiv erfassen und verstehen.
  • Da kaum jemand App-Anleitungen liest – und viele Hardware-Hersteller schon gar keine Handbücher mehr beilegen –, ist das Zusammenspiel aus Design, Funktion und Sprache der Wegweiser durch ein Produkt oder einen Prozess.
  • Es kommt also darauf an, bei jeder Funktion des Produkts und an jedem Punkt im Prozess das zu kriegen, was man erwartet. Drücke ich „Play“, startet der Film. Klicke ich „Bestellung bestätigen“, habe ich morgen die Gartenschere in der Post.
  • Schon über diese sogenannte Microcopy bestimmt Sprache, wie positiv das Nutzererlebnis ausfällt und ob der Nutzer zum erwünschten Abschluss geführt wird.
  • Wie „spricht“ mein Angebot etwa
    • mit potenziellen Käufern
    • mit Anwendern
    • mit unzufriedenen Kunden?
  • Wie ist die Tonalität
    • auf Fehlerseiten
    • auf Kontaktformularen
    • bei Registrierungen
    • bei Kaufabschlüssen?
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Video über UX-Design bei Google. Video abspielen

Textprobleme können Designprobleme offenbaren

Mehrere Personen stehen an einem Tisch, auf dem ein Konzept liegt. Auf dieses kleben die Personen bunte und beschriftete Klebezettel.

Was in Digitalprojekten bislang häufig geschieht: Ein Team arbeitet sein Päckchen ab und schiebt es weiter. Design an Redaktion: Schreibt da mal was drauf. Redaktion an Design: Macht das mal bunt. Redaktion und Design an Programmierung: Seht zu, dass sich das von der Seite reinschiebt.

Besser wäre, wenn alle gemeinsam an der Usability arbeiten – und gemeinsam frühzeitig Usability-Probleme aufdecken. Versteht zum Beispiel der UX Writer ein Interface oder einen kompletten Prozess nicht und kann ihn deshalb nicht sinnvoll beschriften oder beschreiben, sollten sie überarbeitet werden. Genauso wenig wie gutes Design über schwachen Inhalt hinwegrettet, kann Sprache ein positives Nutzererlebnis mit unverständlichen Produkten schaffen.

Sprache orientiert sich an Zielgruppen

Gutes – oder besser: zielführendes – UX Writing hängt immer von den angesprochenen Zielgruppen ab. Wie bei jeder Kommunikation sollten die Absender dabei so viel Demut haben, dass sie nicht nur darüber nachdenken, was sie senden, sondern auch darüber, was ihre Nutzer empfangen wollen. Zu den wichtigen sprachlichen Entscheidungen gehören:

  • Duzen oder Siezen?
  • Kommunikation mit Autorität oder auf Augenhöhe?
  • Akademische Sprache oder Alltag?
Es ist eine Person mit Jacke und Mütze im Nebel zu sehen. Um den Kopf der Person schweben Sprechblasen mit Icons, etwa für Kommunikation und Barrierefreie WCs und den Nahverkehr als Symbole für bestimmte Zielgruppenbedürfnisse.

Daneben gibt es einige Grundsätze für UX-taugliche Sprache, die unabhängig von den Zielgruppen gelten:

  • Präzision: Mit so wenigen Wörtern wie möglich die Bedeutung beschreiben. „Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen“, hat Mark Twain angeblich mal gesagt.
  • Kürze: User scannen Text auf Benutzeroberflächen nur, weil sie ja eigentlich mit ihrem Anliegen beschäftigt sind. Kurze Textabsätze sind leichter von Auge und Hirn zu scannen.
  • Spezifische statt allgemeiner Verben: „Speichern“ ist besser als „Konfigurieren“
  • Konsistenz: Nutzen Sie dieselben Wörter für dieselbe Funktion oder Bedeutung. „Kaufen“ bleibt „Kaufen“ und wird nicht „Abschließen“ oder „Mitnehmen“.
  • Kein Fachjargon: „Authentifizierungsfehler“ heißt nichts anderes als „Falsches Passwort, bitte versuchen Sie es nochmal“.
  • Kein Passiv: Aktive Sprache aktiviert auch Ihre Nutzer. Vom Passiv werden sie eingeschläfert …
  • Ziffern statt Zahlwörter: Das Auge bleibt an 3 besser hängen als an drei. Wichtig, wenn Sie nicht aus Versehen 3/drei Hosen kaufen wollen.
  • Schrittweise Nutzerführung: Teilen Sie einen Prozess in mehrere, kurz zu beschreibende Schritte. Zerlegen Sie zum Beispiel ein Registrierungsformular in mehrere Einzelfelder auf Folgeseiten. Besonders sinnvoll beim begrenzten Platz auf Mobil-Bildschirmen.
  • Interaktivität offenlegen: Löst ein Button etwas aus, beschriften Sie ihn auch eindeutig. „Abonnieren“ macht dem User das Resultat seines Handelns klar – „Okay“ oder „Abschließen“ nicht.
  • Vorsicht mit Humor: Selbsterklärend. Wenn schon in Ihrem Team selten jemand über Ihren Wortwitz lacht, warum sollte es dann Ihre Zielgruppe? Humor kann zudem leicht gewollt oder verkrampft wirken.
  • Grafische Darstellungen: Nicht alles ist mit wenigen Worten klar beschrieben. Bauen Sie z. B. erklärende Screenshots ein, die sich nach dem Klick auf Signalwörter wie „Wo finde ich das?“ öffnen. 

UX Writing wird immer wichtiger

Auch wenn UX Writing in Stellenausschreibungen oder Personaltableaus in Deutschland noch wenig verbreitet ist: Häufig gibt es Mitarbeiter, die genau das machen. Und egal, wie sie sich nennen – ihre Skills werden immer wichtiger. In einem Überangebot an digitalen Produkten, Prozessen und Dienstleistungen werden sich die durchsetzen, die ihre Nutzer mit ihrer Usability zufriedenstellen. Dazu müssen Form, Funktion und Sprache stimmen.

Und wenn Sie bis hierhin gelesen haben, werden Sie merken, dass neben Microcopy auch lange Texte im Grunde nichts anderes als UX Writing sind: Dann hatten Sie offenbar ein gutes Nutzererlebnis und haben aus diesem Blogbeitrag interessante Inhalte mitgenommen.

Mehr Infos zum Autor.

Nicolas Schöneich
Senior Concepter der IW Medien

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