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Nachhaltigkeitsbericht erstellen: 5 Tipps für den CSR-Report im Mittelstand
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Die EU schreibt Nachhaltigkeitsberichte für große börsennotierte Unternehmen seit 2018 verpflichtend vor – und Brüssel will die Regeln verschärfen: Schon 2023 sollen auch kapitalmarktorientierte kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) jährlich einen Bericht über ihre Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit vorlegen; für nicht-börsennotierte KMU soll es zumindest unverbindliche Standards geben.
Höchste Zeit für den Mittelstand also, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen und sich auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorzubereiten. Wir haben die 5 wichtigsten Basics zusammengestellt.
1. Das Nachhaltigkeits-Mindset: aus Eigeninteresse engagieren
Unternehmer müssen keine überzeugten Grünen-Wähler sein, um Interesse an Nachhaltigkeit zu entwickeln. Nachhaltigkeit ist für Unternehmen schon aus simplem Eigennutz sinnvoll– damit sie in Jahren und Jahrzehnten noch ein erfolgreiches Business haben.
Im Kontext Nachhaltigkeit sind auch andere Begriffe wie Corporate Social Responsibility (CSR) oder die Wahrung der sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) in der Geschäftstätigkeit verbreitet. Unterm Strich verbirgt sich hinter allen Bezeichnungen Ähnliches: wirtschaftliches Handeln, das langfristig ausgelegt ist und soziale und Umweltbelange einbezieht. Denn auch wenn Nachhaltigkeit vor allem in einem Atemzug mit Klimawandel, Ressourcenschonung und Umweltschutz diskutiert wird – es gehört viel mehr dazu. Man unterscheidet drei Dimensionen, die in Wechselwirkung zueinander stehen:
- ökonomische Nachhaltigkeit, also eine Wirtschaftsweise, die auf den langfristigen Fortbestand eines Unternehmens oder einer Volkswirtschaft ausgerichtet ist.
- Damit korrespondiert die ökologische Nachhaltigkeit: Wer zum Beispiel Ressourcen rücksichtslos ausbeutet, wird sein eigenes Geschäftsmodell ruinieren. Und gerade in jüngster Zeit besonders relevant: Wer sich nicht für den Klima- und Umweltschutz engagiert, wird leicht von Kunden, Investoren, Politik und Gesellschaft abgestraft – mit Kaufboykott, schlechten Finanzierungskonditionen, harter Regulierung oder öffentlichem Protest. Ökologische Nachhaltigkeit macht also auch das eigene Wirtschaften nachhaltiger.
- Soziale Nachhaltigkeit in Unternehmen zeigt sich etwa im Verzicht auf Zwangs- und Kinderarbeit, in der Wahrung von Arbeitnehmerinteressen, in Fort- und Weiterbildung zur Entwicklung der Mitarbeiter und auch in externem sozialem Engagement. Auch hier erkennen Sie: Ein Unternehmen, dem das egal wäre, würde den Reputations- und wirtschaftlichen Schaden langfristig schwer verkraften.
Damit Sie nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich sind, sollten Sie sich also auch für ökologische und soziale Nachhaltigkeitengagieren – und dieses Engagement dann in einem Nachhaltigkeitsbericht kommunizieren. Tun Sie Gutes und reden Sie darüber – auch wenn Sie es laut der EU-Regeln vielleicht nicht müssten. Egal, ob Sie mit anderen Unternehmen oder mit Endverbrauchern Ihre Geschäfte machen: Künftig werden Ihre Kunden immer genauer hinsehen, wie nachhaltig ein Unternehmen agiert, damit sie guten Gewissens und ohne Sorge um die eigene Reputation Ihre Produkte oder Dienstleistungen einkaufen.
2. Aufbau eines Nachhaltigkeitsberichts: Standards geben Orientierung
Für den Aufbau eines Nachhaltigkeitsberichts gibt es sehr genaue Vorgaben: Weltweite Standards für die Messung und Kommunikation von Nachhaltigkeit hat die Global Reporting Initiative (GRI) aufgestellt. In mehreren Dutzend Kategorien vom Bekenntnis des Managements zur Nachhaltigkeit bis zur Recyclingquote definiert sie, welche Informationen aus einem Unternehmen in einen Nachhaltigkeitsbericht einfließen sollten.
Gerade wenn Sie sich erstmals mit dem Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung beschäftigen, geben die Standards einen guten Überblick, was sich alles unter diese Überschrift fassen lässt. In Ihrem ersten Nachhaltigkeitsbericht werden Sie die lange und detaillierte Liste der GRI-Standards vielleicht eher als Werkzeugkasten nutzen, aus dem Sie nur wenige Instrumente wählen.
Um Greenwashing zu vermeiden und den eigenen Namen zu schützen, hat die GRI allerdings Pflichtanforderungen für den Aufbau eines Nachhaltigkeitsberichts festgelegt: Die müssen Sie erfüllen, wenn Sie im Bericht erklären wollen, dass Sie ihn in Übereinstimmung mit einer der beiden GRI-Berichtsoptionen „Kern“ oder „Umfassend“ erstellt haben. Erfüllt Ihr Bericht nicht alle Anforderungen, können Sie zumindest die vorgegebenen Formulierungen der GRI dazu nicht verwenden.
Wichtig: „Die GRI-Standards repräsentieren die globale beste Praxis für die öffentliche Berichterstattung zu verschiedenen ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen“, heißt es auf der GRI-Webseite. Es geht also um Best Practice mit Vorbildfunktion und um die Vergleichbarkeit von Informationen. Rechtsverbindlich sind die GRI-Standards nicht, kein Kunde oder Geschäftspartner kann Sie darauf verpflichten, diese anzuwenden. Aber: Sie sind breit akzeptiert und entfalten schon dadurch eine hohe Verbindlichkeit.
3. Inhalt des Nachhaltigkeitsberichts: Zahlen, Zahlen, Zahlen
Was Sie bei Durchsicht der GRI-Standards feststellen werden: Ein Nachhaltigkeitsbericht braucht vor allem Zahlen und noch mehr Zahlen. Zeiträume, Bemessungsgrundlagen, Maßeinheiten und so weiter sind ebenfalls in den Standards festgelegt. Die Daten werden Sie im Unternehmen aus verschiedenen Abteilungen zusammentragen müssen, eine zentrale Stelle sollte dann den Abgleich und die Aufbereitung übernehmen. Börsennotierte Großunternehmen haben dafür teils komplette (Unter-)Abteilungen aufgebaut. Es kann sich auch im Mittelstand lohnen, einen Beauftragten zu benennen.
Das Wichtigste aber: Kommunikativ überzeugen wird Ihr Nachhaltigkeitsbericht nur, wenn Ihre Zahlen eine Entwicklung dokumentieren. Sie brauchen also möglichst alle Kennzahlen aus mindestens zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren. Haben Sie diese noch nicht, schaffen Sie zunächst die internen Reporting-Strukturen und warten Sie besser noch ein Jahr, bevor Sie Ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Ein Bericht, der nur den Status quo abbildet und keine Steigerungen oder Rückgänge dokumentiert, ist wenig aussagekräftig. Schließlich wollen Sie demonstrieren, dass sich bei Ihnen „etwas bewegt“ in Sachen Nachhaltigkeit.
Die Datenbasis sicherzustellen, kann eine Herausforderung sein. Manche Kennzahlen müssen Sie vielleicht neu oder anders erheben – oder sogar erst die technischen oder organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen. Stellen Sie sich dieser Herausforderung. Denn ganz ehrlich: Wie soll sich in Ihrem Unternehmen etwas langfristig – und nachhaltig – entwickeln, wenn Sie die aktuelle Situation gar nicht so genau kennen?
4. Zahlen zur Nachhaltigkeit brauchen einen Kontext
Ihr Nachhaltigkeitsbericht kann nackte Zahlen enthalten und Sie überlassen Lesern und Leserinnen die Interpretation. Besser aber ist es, Sie liefern die Deutung gleich mit: Warum haben sich bestimmte Werte zum Guten oder Schlechten verändert?
Seien Sie dabei ehrlich zu sich selbst – und vor allem zu den Lesern des Berichts: Wenn Sie als Automobilzulieferer im Corona-Jahr 2020 zum Beispiel Ihre Emissionen um 20 Prozent gesenkt haben, kann das an Ihren Klimaschutzideen liegen. Es kann aber auch daran liegen, dass Sie weniger produziert haben, weil der Markt eingebrochen ist. Weil ein Nachhaltigkeitsbericht auch Angaben wie den Umsatz und die Anzahl der Mitarbeiter und Standorte enthalten sollte, macht er rein konjunkturell bedingte Veränderungen transparent. Ihre Chance: Haben Sie tatsächliche Maßnahmen für mehr ökologische oder soziale Nachhaltigkeit ergriffen, benennen Sie diese deutlich.
Letztlich ist ein Nachhaltigkeitsbericht ein Marketinginstrument. Wie im Marketing generell gilt also: Übertreiben Sie es nicht. Neue Filteranlagen, die Ausweitung Ihrer betrieblichen Altersvorsorge oder genauere Kontrollen Ihrer Rohstofflieferanten sind Puzzleteile, die nicht einzeln hochgejazzt werden sollten. Viel wichtiger ist ein Bekenntnis der Unternehmenseigner und des Managements zur Nachhaltigkeit. Es sollte in einer Nachhaltigkeitsstrategie und einem Verhaltenskodex dokumentiert sein, die wiederum durch Einzelinitiativen sichtbar und lebendig werden. Ein überzeugender Nachhaltigkeitsbericht besteht also nicht lediglich aus den Entwicklungen in einzelnen Handlungsfeldern – er vermittelt den begründeten Eindruck, dass Ihr Unternehmen einer übergeordneten Idee folgt.
5. Nachhaltigkeit als Entwicklung
Für mehr Nachhaltigkeit lässt sich nicht einfach ein Schalter umlegen. Das erwarten Kunden, Politik und Gesellschaft auch nicht. Ihr Unternehmen sollte aber zeigen, dass es den Zeitgeist verstanden hat und den Weg in eine nachhaltigere Zukunft eigenverantwortlich einschlägt. Das können Sie in Nachhaltigkeitsberichten dokumentieren, die Jahr für Jahr detaillierter werden und mehr der GRI-Standards enthalten.
Orientieren Sie sich dabei auch daran, was Ihre unmittelbaren Wettbewerber offenlegen. Für Ihr Unternehmen zählt weniger die absolute Nachhaltigkeit, sondern Ihre relative Nachhaltigkeit innerhalb Ihrer Branche. Beispiel: Natürlich wird ein Hersteller von Karosserieteilen dauerhaft viel mehr Strom verbrauchen als ein veganer Suppenkoch. Im Vergleich zu konkurrierenden Karosseriebauern aber kann das Unternehmen andere Roh- und Werkstoffe einsetzen, neue Verfahren und Prozesse entwickeln, die es nachhaltiger machen. Für Kunden kann das dann ein Auswahlkriterium sein.
Einen strategischen Startvorteil haben übrigens Mittelständler im Familienbesitz. Familienunternehmen agieren meist seit ihrer Gründung nachhaltig, auch wenn sie das lange nicht so genannt haben: Jede Generation stellt das Unternehmen langfristig auf, mit Blick auf die folgenden Generationen. Diesen wirtschaftlichen Erfolg sichern Familienunternehmen nur, wenn sie auch langfristige Entwicklungen aufgreifen – wie eben Nachhaltigkeit. Weil solche Unternehmen eng mit einem Familiennamen verbunden und rund um ihren Stammsitz regional tief verankert sind, würde sich zudem jede Missachtung von ökologischer oder sozialer Nachhaltigkeit „rumsprechen“ – und wäre ein Imageschaden nicht nur für das Unternehmen, sondern für die Familie. Für KMU in Familienhand gilt also ganz besonders der Dreiklang aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit.
Gesprächsbedarf?
Nicolas Schöneich
Senior Concepter der IW Medien