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Verstehen Sie Denglisch? Und verstehen es auch Ihre Kollegen?

Nicolas Schöneich
Verstehen Sie Denglisch? Und verstehen es auch Ihre Kollegen?:

Neulich habe ich einen „Vice President Global Value Chain“ kennengelernt. Eine Kollegin hatte über ihn geschrieben – ein zeitgemäßes Porträt eines Managers, der einen deutschen Mittelständler auf Nachhaltigkeit trimmt. Aufgeschrieben für ein Magazin, das IW Medien für die Mitarbeiterkommunikation in einer großen Industriebranche produziert. Gelesen wird es vom Vorstand bis zum Produktionsmitarbeiter, in mehreren Dutzend Unternehmen, von 36.000 Promovierten, Studierten, Ausgebildeten, An- und Ungelernten mit sehr unterschiedlichen Englischkenntnissen.

Problem: Was genau macht bitte dieser „Vice President Global Value Chain“?

Von englisch zu denglisch

Zwischen englisch und denglisch liegt ein schmaler Grat. Der Duden versieht „denglisch“ mit der Einordnung „abwertend“ und der Definition „deutsch mit (zu) vielen englischen Ausdrücken vermischt“. Und genau um dieses „(zu)“ geht es, wenn man in der Mitarbeiterkommunikation möglichst alle Mitarbeiter erreichen und niemanden ausschließen will, bloß weil er die neusten Vokabellisten mit Business-English nicht parat hat.

Ich habe „Vice President Global Value Chain“ gegoogelt und mich durch die Ergebnisseiten geklickt. 27 Treffer (Stand 9. Januar 2020), der Rest „ähnliche Ergebnisse“. Im gesamten, durchaus englischsprachigen Internet. 27. Heißt für mich: Denglisch-Alarm. Da will ein Unternehmen eine Bezeichnung durchsetzen, die weder gebräuchlich noch verständlich ist. Zwei klare Ausschlusskriterien dafür, sie in der Kommunikation zu verwenden.

Der Empfänger entscheidet, nicht der Absender

Mein Verdacht ist, dass an der Freigabe des besagten Textes zu viele Stimmen beteiligt waren, die nicht aus der Kommunikationsabteilung stammen. Stimmen, denen vermeintliche englischsprachige Weltläufigkeit und/oder formale Korrektheit („Das steht halt auf seiner Visitenkarte.“) wichtiger sind als Verständlichkeit.

So einfach es klingen mag, so schwierig scheint es umzusetzen: Will ich die Botschaft einer Kommunikation richtig erfassen, muss ich Aussagen, Kontext und alle Begriffe verstehen, mit denen mir diese Botschaft vermittelt wird. Ganz besonders in der Mitarbeiterkommunikation geht es darum, was der Empfänger, also der Beschäftigte, wissen will und verstehen kann. Nicht nur darum, was und wie der Absender, also der Arbeitgeber, etwas sagen will.

Schließlich sind beide Seiten Teil derselben Gemeinschaft „Unternehmen“, die verbindende Ziele hat: wirtschaftlichen Erfolg und den Erhalt der Arbeitsplätze. Da kommt es unmittelbar und täglich darauf an, einander gut und richtig zu verstehen.

Muss es denglisch sein? Eine kleine Checkliste

Auf den Punkt gebracht: Machen Sie es niemandem schwer, indem Sie denglisch werden. Das ist kein dumpfes Plädoyer für eine „Reinheit“ der deutschen Sprache oder gegen den Einfluss „fremder“ Begriffe. Die haben unsere Sprache schon immer verändert und werden es auch weiterhin tun. Aber das ändert nichts daran, immer die Begriffe zu wählen, die unsere Gegenüber auch verstehen.

Klopfen Sie Ihre Kommunikation am besten auf die folgenden Punkte ab. Besonders gründlich dann, wenn es ums gesprochene Wort geht und zum Beispiel Ihr Vorstandschef eine Videobotschaft überbringen will – Geschriebenes lässt sich wenigstens kopieren und googlen, per Wörterbuch oder App interpretieren. Bei Videos wird sich kaum ein Empfänger diese Mühe machen, sondern einfach abschalten.

  • Verstehen Sie den denglischen Begriff und könnten ihn fachfremden Freunden erklären?
  • Gehören Menschen mit geringen Fremdsprachenkenntnissen zu Ihrer Zielgruppe?
  • Gibt es andere Begründungen als „Das ist unsere offizielle Bezeichnung“, „Das haben wir immer schon so gemacht“ oder „Er/sie/die Abteilung XY will das so“ dafür, den denglischen Begriff zu benutzen?
  • Können Sie den Begriff verständlicher und auf Deutsch umschreiben?
  • Ändert es irgendetwas an der Botschaft Ihrer Kommunikation, wenn Sie den Begriff umschreiben?

Lautet Ihr Antwortmuster Nein-Ja-Nein-Ja-Nein – dann machen Sie es sich und Ihren Empfängern einfacher. Und machen Sie es vielleicht sogar auf Deutsch.

Als verantwortlicher Redakteur habe ich „Vice President Global Value Chain“ übrigens ganz stumpf übersetzt, bevor die Mitarbeiterzeitung erschienen ist. Ein „Verantwortlicher für die globale Wertschöpfungskette“ ist zwar noch immer keine Berufsbezeichnung, die man bei Canapés auf der Cocktailparty erklären könnte. Aber sie ist schonmal deutlich näher dran an den Mitarbeitern des Vizepräsidenten.

 

Nicolas Schöneich

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Nicolas Schöneich
Senior Concepter der IW Medien

Finde Floskeln furchtbar, Phrasen phasenweise phantasievoll. Drei Dinge, die ich gut kann, sind lesen und schreiben; rechnen nicht so.

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